Thursday, January 17, 2013

Januar und Februar


es schneit... 15.1.2013

Der Januar wollte einmal recht lieb sein und den immer über ihn brummenden Menschen eine Freude machen. Deshalb ließ er es sich einst während seiner dreißigtägigen Regierungszeit angelegen sein, einen Tag immer schöner und wärmer zu gestalten als den anderen; er hoffte sich auf diese Weise die Dankbarkeit der Menschen zu erwerben und sich wieder bei ihnen einzuschmeicheln. Aber er rechnete nicht mit der Undankbarkeit der Menschen.

Am letzten Tage dieser Regierungszeit des Januar trieb ein Schäfer seine Herde in ihre Hürden und sah daselbst Januar stehen.

„Nun, Herr Januar, du Einfaltspinsel. Willst du uns mit dem schönen Wetter eigentlich ärgern? Wie kannst du es wagen, die alten Gesetze und Regeln unbeachtet zu lassen? Lass es doch regnen und stürmen!“

Da lief der Januar wutschnaubend zum Februar und sprach zu ihm: „Lieber Bruder Februar, leih mir doch zwei Tage! Ich muss sie haben! Wenn ich sie nicht beide verwenden kann, gebe ich dir einen zurück! Heuer werde ich wohl zwei brauchen!“ Der Februar war gerade damit beschäftigt, sich dreißig Kutten umzuhängen, von denen er während seiner am nächsten Tage beginnenden Regierungszeit täglich allemal wieder eine ablegte. Bereitwillig übergab er zwei Kutten, und zwar die dicksten, dem Januar und sprach dazu: „Da, nimm meine stärksten Mäntel! Du kannst mit ihnen so viel donnern, blitzen und regnen lassen, als du willst!“

„Ja, ich werde es den Menschen zeigen!“ erwiderte der Januar und schlüpfte in die beiden Kutten hinein. Er schnürte sie mit Donnerseilen zu, die einen prächtigen Gürtel abgaben, und rief dem Bruder Februar zu: „Bleib hier! Du kommst ja auch gleich an die Reihe! Denn meine Regierungszeit ist bald abgelaufen!“

Nun regierte der Januar noch zwei Tage länger. Und wie! Die Menschen und Tiere krochen in schützende Höhlen; aber viele von ihnen ertranken, da das unbändige, gurgelnde Wasser immer höher stieg. Der Schäfer, der vorher dem Januar solche Grobheiten gesagt hatte, stand gerade am Ufer des Meeres, als er den wildtrotzigen Monat heranstürmen sah!

„Jetzt entrinnst du mir nicht!“, schrie ihn der Januar an. Der Schäfer rief seine Schafe zusammen und wollte mit ihnen zu einer Höhle eilen; aber zu spät! Eine Flutwelle erhob sich aus dem grollenden Meer, das sich grün gefärbt hatte und eine Menge Algen und Seegras auf das abschüssige Land ausspie und Schäfer und Schafe in seine Brandung hineinzog. Dreimal spie die Brandung den Schäfer wieder aus, und dreimal leckte sie ihn wieder auf; dreimal warf sie ihn auf die scharfen Felsenklippen. Erst dann gab sich der Januar zufrieden und ging davon.

Seitdem hat der Januar den Schwur getan, nie mehr lieb und mild gegen die Menschheit zu sein, und er hat ihn auch gehalten.  Dem Februar entleiht er manchmal zwei Tage, manchmal bloß einen Tag; aber nur selten tut er das letztere und lässt nur selten dem Februar neunundzwanzig Kutten – gewöhnlich lässt er ihm nur achtundzwanzig.
Märchen aus Malta

Sunday, January 06, 2013

Die Wünsche des Bauern


grau mit etwas Farbe, 6.1.13
Es war einmal ein armer chinesischer Reisbauer, der trotz all seines Fleißes in seinem Leben nicht vorwärts kam. Eines Abends begegnete ihm der Mondhase, von dem jedes Kind weiß, dass er den Menschen jeden Wunsch erfüllen kann.
Ich bin gekommen, sagte der Mondhase, um dir zu helfen. Ich werde dich auf den Wunschberg bringen, wo du dir aussuchen kannst, was immer du willst. Und ehe er sich versah, fand sich der Reisbauer vor einem prächtigen Tor wieder. Über dem Tor stand geschrieben: "Jeder Wunsch wird Wirklichkeit". Schön, dachte der Bauer und rieb sich die Hände, mein armseliges Leben hat nun endlich ein Ende. Erwartungsvoll trat er durch das Tor. Ein weißhaariger, alter Mann stand am Tor und begrüßte den Bauern mit den Worten: Was immer du dir wünschst, wird sich erfüllen. Aber zuerst musst du ja wissen, was man sich überhaupt alles wünschen kann. Daher folge mir!
Der alte Mann führte den Bauern durch mehrere Säle, einer schöner als der andere. Hier, sprach der Weise, im ersten Saal siehst du das Schwert des Ruhmes. Wer sich das wünscht, wird ein gewaltiger General; er eilt von Sieg zu Sieg und sein Name wird auch noch in den fernsten Zeiten genannt. Willst du das? Nicht schlecht, dachte sich der Bauer, Ruhm ist eine schöne Sache und ich möchte zu gerne die Gesichter der Leute im Dorf sehen, wenn ich General werden würde. Aber ich will es mir noch einmal überlegen. Also sagte er: Gehen wir erst einmal weiter. Gut, gehen wir weiter, sagte lächelnd der Weise.
Im zweiten Saal zeigte er dem Bauern das Buch der Weisheit. Wer sich das wünscht, dem werden alle Geheimnisse des Himmels und der Erde offenbar. Der Bauer meinte: Ich habe mir schon immer gewünscht, viel zu wissen. Das wäre vielleicht das Rechte. Aber ich will es mir noch einmal überlegen.
Im dritten Saal befand sich ein Kästchen aus purem Gold. Das ist die Truhe des Reichtums. Wer sich die wünscht, dem fliegt das Gold zu, ob er nun arbeitet oder nicht. Ha! lachte der Bauer, das wird das Richtige sein. Wer reich ist, der ist der glücklichste Mensch der Welt. Aber Moment - Glück und Reichtum sind ja zwei verschiedene Dinge. Ich weiß nicht recht. Gehen wir noch weiter.
Und so ging der Bauer von Saal zu Saal, ohne sich für etwas zu entscheiden. Als sie den letzten Saal gesehen hatten, sagte der alte Mann zum Bauern: Nun wähle. Was immer du dir wünschst, wird erfüllt werden! Du musst mir noch ein wenig Zeit lassen, sagte der Bauer, Ich muss mir die Sache noch etwas überlegen. In diesem Augenblick aber ging das Tor hinter ihm zu und der Weise war verschwunden. Der Bauer fand sich zu Hause wieder. Der Mondhase saß wieder vor ihm und sprach: Armer Bauer, wie du sind die meisten Menschen. Sie wissen nicht, was sie sich wünschen sollen, sie wünschen sich alles und bekommen nichts. Was immer sich einer wünscht, das schenken ihm die Götter - aber der Mensch muss wissen, was er will ...
Verfasser unbekannt