Der Januar wollte einmal recht lieb sein und
den immer über ihn brummenden Menschen eine Freude machen. Deshalb ließ er es
sich einst während seiner dreißigtägigen Regierungszeit angelegen sein, einen
Tag immer schöner und wärmer zu gestalten als den anderen; er hoffte sich auf
diese Weise die Dankbarkeit der Menschen zu erwerben und sich wieder bei ihnen
einzuschmeicheln. Aber er rechnete nicht mit der Undankbarkeit der Menschen.
Am letzten Tage dieser Regierungszeit des
Januar trieb ein Schäfer seine Herde in ihre Hürden und sah daselbst Januar
stehen.
„Nun, Herr Januar, du Einfaltspinsel. Willst
du uns mit dem schönen Wetter eigentlich ärgern? Wie kannst du es wagen, die
alten Gesetze und Regeln unbeachtet zu lassen? Lass es doch regnen und
stürmen!“
Da lief der Januar wutschnaubend zum Februar
und sprach zu ihm: „Lieber Bruder Februar, leih mir doch zwei Tage! Ich muss
sie haben! Wenn ich sie nicht beide verwenden kann, gebe ich dir einen zurück!
Heuer werde ich wohl zwei brauchen!“ Der Februar war gerade damit beschäftigt,
sich dreißig Kutten umzuhängen, von denen er während seiner am nächsten Tage
beginnenden Regierungszeit täglich allemal wieder eine ablegte. Bereitwillig
übergab er zwei Kutten, und zwar die dicksten, dem Januar und sprach dazu: „Da,
nimm meine stärksten Mäntel! Du kannst mit ihnen so viel donnern, blitzen und
regnen lassen, als du willst!“
„Ja, ich werde es den Menschen zeigen!“
erwiderte der Januar und schlüpfte in die beiden Kutten hinein. Er schnürte sie
mit Donnerseilen zu, die einen prächtigen Gürtel abgaben, und rief dem Bruder
Februar zu: „Bleib hier! Du kommst ja auch gleich an die Reihe! Denn meine
Regierungszeit ist bald abgelaufen!“
Nun regierte der Januar noch zwei Tage
länger. Und wie! Die Menschen und Tiere krochen in schützende Höhlen; aber
viele von ihnen ertranken, da das unbändige, gurgelnde Wasser immer höher
stieg. Der Schäfer, der vorher dem Januar solche Grobheiten gesagt hatte, stand
gerade am Ufer des Meeres, als er den wildtrotzigen Monat heranstürmen sah!
„Jetzt entrinnst du mir nicht!“, schrie ihn
der Januar an. Der Schäfer rief seine Schafe zusammen und wollte mit ihnen zu
einer Höhle eilen; aber zu spät! Eine Flutwelle erhob sich aus dem grollenden
Meer, das sich grün gefärbt hatte und eine Menge Algen und Seegras auf das
abschüssige Land ausspie und Schäfer und Schafe in seine Brandung hineinzog.
Dreimal spie die Brandung den Schäfer wieder aus, und dreimal leckte sie ihn
wieder auf; dreimal warf sie ihn auf die scharfen Felsenklippen. Erst dann gab
sich der Januar zufrieden und ging davon.
Seitdem hat der Januar den Schwur getan, nie
mehr lieb und mild gegen die Menschheit zu sein, und er hat ihn auch
gehalten. Dem Februar entleiht er
manchmal zwei Tage, manchmal bloß einen Tag; aber nur selten tut er das
letztere und lässt nur selten dem Februar neunundzwanzig Kutten – gewöhnlich
lässt er ihm nur achtundzwanzig.
Märchen aus Malta