Friday, May 31, 2013

Das Erdmännchen

rote Äpfelchen


Es war einmal ein reicher König, der hatte drei Töchter, die gingen alle Tage im Schlossgarten spazieren; und der König, der ein großer Liebhaber von allerhand schönen Bäumen war, liebte einen Baum ganz besonders, so dass er denjenigen, der ihm einen Apfel davon pflückte, hundert Klafter tief unter die Erde wünschte. Als es nun Herbst war, da wurden die Äpfel an dem Baum so rot wie Blut. Die drei Töchter gingen alle Tage unter den Baum und sahen zu, ob nicht der Wind einen Apfel heruntergeschlagen hätte, aber sie fanden ihr Lebtag keinen, und der Baum saß so voll, als ob er brechen wollte, und die Zweige hingen bis auf die Erde herab. Da gelüstete es die jüngste Königstochter gewaltig, und sie sagte zu ihrer Schwester: "Unser Vater, der hat uns viel zu lieb, als dass er uns verwünschen würde; ich glaube, das sagt er nur wegen der fremden Leute." Und das Kind pflückte einen ganz dicken Apfel ab und sprang vor seine Schwestern her und sagte: "Ah, nun schmeckt mal, meine lieben Schwestern, ich hab mein Lebtag noch nicht so was Schönes gegessen." Da bissen die beiden andern Königstöchter auch in den Apfel, und da versanken sie alle drei tief unter die Erde, dass kein Hahn mehr nach ihnen krähte.

Als es nun Mittag wurde, da wollte der König sie zu Tische rufen, aber sie waren nirgends zu finden. Er suchte sie überall, im Schloss und im Garten, aber er konnte sie nicht finden. Da wurde er sehr betrübt und ließ das ganze Land aufbieten, und der, der ihm seine Töchter wiederbrächte, der sollte eine davon zur Frau haben. Da gingen nun so viele junge Leute über Feld und suchten mit allen Kräften und über alle Massen, denn jeder hatte die drei Kinder gern gehabt, weil sie gegen jedermann so freundlich und auch schön von Angesicht gewesen waren. Und es zogen auch drei Jägerburschen aus, und als sie wohl an die acht Tage gewandert waren, da kamen sie zu einem großen Schloss, da waren so hübsche Stuben drin, und in einem Zimmer war ein Tisch gedeckt, darauf standen so süße Speisen, die waren noch warm und dampften; aber in dem ganzen Schloss war kein Mensch weder zu hören noch zu sehen. Da warteten sie noch einen halben Tag, und die Speisen blieben immer warm und dampften; doch dann wurden sie so hungrig, dass sie sich an den Tisch setzten und mit großem Appetit aßen. Sie machten miteinander aus, sie wollten auf dem Schlosse wohnen bleiben, und sie wollten darum losen, dass einer im Haus bleiben und die beiden andern die Töchter suchen sollten; das taten sie auch, und das Los traf den ältesten. Am nächsten Tag gingen die zwei jüngsten auf die Suche, und der älteste musste zu Hause bleiben. Am Mittwoch kam so ein kleines Männchen, das um ein Stückchen Brot bat. Da nahm der älteste von dem Brote, das er dort gefunden hatte, schnitt ein Stück rund um das Brot weg und wollte ihm das geben. Er reichte es dem kleinen Männchen hin, doch dieses ließ das Stück fallen und sagte zu dem Jägerburschen, er solle es aufheben und ihm wiedergeben. Das wollte er auch tun und bückte sich, aber da nahm das kleine Männchen einen Stock, packte ihn bei den Haaren und gab ihm tüchtige Schläge. Am andern Tag, da ist der zweite zu Hause geblieben, dem erging es nicht besser. Als die beiden andern am Abend nach Hause kamen, da sagte der älteste: "Na, wie ist es dir ergangen?" - "Oh, mir ist es schlecht ergangen." Da klagten sie einander ihre Not, aber dem jüngsten sagten sie nichts davon, denn den konnten sie gar nicht leiden und hatten ihn immer den dummen Hans genannt, weil er nicht sonderlich weltklug war.

Am dritten Tag blieb der jüngste zu Haus; da kam das kleine Männchen wieder und hielt um ein Stückchen Brot an. Und wie er es ihm nun gegeben hatte, ließ er es wieder fallen und sagte, er möchte doch so gut sein und ihm das Stückchen wieder geben. Da sagte Hans zu dem kleinen Männchen: "Was! Kannst du das Stück nicht selber aufheben? Gibst du dir um deine tägliche Nahrung nicht einmal so viel Mühe, dann bist du auch nicht wert, dass du es isst!" Da wurde das Männchen böse und sagte, er müsste es tun; Hans aber, nicht faul, nahm mein liebes Männchen und drosch es tüchtig durch. Da schrie das Männchen ganz laut und rief: "Hör auf, hör auf, und lass mich los, dann will ich dir auch sagen, wo die Königstöchter sind."

Wie Hans das hörte, schlug er nicht mehr, und das Männchen erzählte, er sei ein Erdmännchen, und solcher wären mehr als tausend, er möge nur mit ihm gehen, dann wolle er ihm auch zeigen, wo die Königstöchter wären. Da zeigte er ihm einen tiefen Brunnen, in dem aber kein Wasser mehr war. Und da sagte das Männchen, er wisse wohl, dass seine Gesellen es nicht ehrlich mit ihm meinten, und wenn er die Königskinder erlösen wolle, dann müsse er es alleine tun. Die beiden andern Brüder wollten wohl auch gern die Königstöchter wiederhaben, aber sie wollten sich deswegen keiner Mühe und Gefahr unterziehen. Um die Töchter zu erlösen, müsse er einen großen Korb nehmen, sich mit einem Hirschfänger und einer Schelle hineinsetzen und sich herunterwinden lassen. Unten seien drei Zimmer; in jedem sitze ein Königskind und habe einen Drachen mit vielen Köpfen zu kraulen: denen müsste er die Köpfe abschlagen. Als das Erdmännchen das alles gesagt hatte, verschwand es. Als es Abend war, da kamen die beiden andern und fragten ihn, wie es ihm ergangen sei. Da sagte er: "Oh, soweit gut," und er habe keinen Menschen gesehen, außer am Mittag, da sei so ein kleines Männchen gekommen, das habe um ein Stückchen Brot gebeten, und als er es ihm gegeben habe, ließ das Männchen es fallen und sagte, er möge es ihm wieder aufheben. Und wie er das nicht habe tun wollen, da fing es an zu drohen; das aber verstand er unrecht und verprügelte das Männchen; da habe es ihm erzählt, wo die Königskinder seien. Da ärgerten sich die beiden andern Jägerburschen so sehr, dass sie gelb und grün wurden. Am andern Morgen da gingen sie zusammen an den Brunnen und machten Lose, wer sich zuerst in den Korb setzen sollte. Das Los fiel auf den ältesten, er musste sich hineinsetzen und die Schelle mitnehmen. Da sagte er: "Wenn ich schelle, müsst ihr mich wieder geschwind heraufwinden." Er war nur kurz unten, da schellte es schon, und die zwei andern Brüder wanden ihn wieder herauf. Da setzte sich der zweite hinein: der machte es geradeso. Nun kam die Reihe an den jüngsten, der sich ganz hinunterwinden ließ. Als er aus dem Korb gestiegen war, nahm er seinen Hirschfänger, ging zur ersten Tür und lauschte: da hörte er den Drachen ganz laut schnarchen. Er machte langsam die Tür auf; da saß eine Königstochter, die hatte auf ihrem Schoss neun Drachenköpfe liegen und kraulte sie. Da nahm er seinen Hirschfänger und hieb zu, und neun Köpfe waren ab. Die Königstochter sprang auf und fiel ihm um den Hals und küsste ihn von Herzen; dann nahm sie einen Schmuck, den sie auf ihrer Brust trug und der von altem Golde war, und hängte ihn dem jungen Jäger um. Da ging er auch zu der zweiten Königstochter, die einen Drachen mit sieben Köpfen kraulen musste; und sie erlöste er auch. Dann erlöste er auch die jüngste, die einen Drachen mit vier Köpfen kraulen musste. Die drei Schwestern umarmten und küssten sich voller Freude, ohne aufzuhören. Nun schellte der jüngste Bruder daraufhin so laut, bis sie es droben hörten. Da setzte er die Königstöchter eine nach der andern in den Korb und ließ sie alle drei hinaufziehen. Wie aber nun die Reihe an ihn kommt, fallen ihm die Worte des Erdmännchens wieder ein, dass es seine Gesellen mit ihm nicht gut meinten. Da nahm er einen großen Stein, der auf der Erde lag, und legte ihn in den Korb. Als der Korb bis etwa zur Mitte heraufgezogen war, schnitten die falschen Brüder oben den Strick durch, dass der Korb mit den Steinen auf den Grund fiel, und nun meinten sie, er wäre tot. Sie liefen mit den drei Königstöchtern fort und ließen sich von ihnen versprechen, dass sie ihrem Vater sagen sollten, die beiden ältesten Brüder hätten sie erlöst. So kamen sie zum König, und ein jeder begehrte eine Königstochter zur Frau.

Unterdes ging der jüngste Jägerbursche ganz betrübt in den drei Kammern umher; er dachte, dass er nun wohl sterben müsse. Da sah er an der Wand eine Flöte hängen, und sagte: "Warum hängst du denn da? Hier kann ja keiner lustig sein!" Er besah sich auch die Drachenköpfe; dann sagte er: "Ihr könnt mir auch nicht helfen!" Und er ging auf und ab spazieren, dass der Erdboden davon ganz glatt wurde. Und auf einmal, da kriegte er andere Gedanken, nahm die Flöte von der Wand und blies ein Stückchen darauf; und plötzlich kam bei jedem Ton, den er blies, ein Erdmännchen hervor. Er blies so lange, bis das ganze Zimmer voller Erdmännchen war. Die fragten alle, was sein Begehren wäre. Da sagte er, er wolle wieder nach oben ans Tageslicht. Da fasste jeder an einem seiner Kopfhaare, und so flogen sie mit ihm zur Erde hinauf. Wie er oben war, ging er gleich zum Königsschloss, wo gerade die Hochzeit mit der einen Königstochter sein sollte; und er ging auf das Zimmer, wo der König mit seinen drei Töchtern saß. Wie ihn da die Kinder sahen, da wurden sie ohnmächtig. Da wurde der König sehr böse, und ließ ihn gleich ins Gefängnis werfen, weil er meinte, er hätte den Kindern ein Leid angetan. Als aber die Königstöchter wieder zu sich gekommen waren, da baten sie ihren Vater, er möchte ihn doch wieder freilassen. Der König fragte sie, warum, aber die Kinder sagten, sie dürften das nicht erzählen. Doch der Vater sagte, sie sollten es dem Ofen erzählen. Dann ging er hinaus, lauschte an der Tür und hörte alles. Da ließ er die beiden Brüder an den Galgen hängen, und dem jüngsten gab er die jüngste Tochter. Und da zog ich ein Paar gläserne Schuhe an, und da stieß ich an einen Stein, da machte es 'klink', da waren sie entzwei.

Thursday, May 16, 2013

Die Kröte

Kröte
Es war einmal eine Köchin. Die ging früh morgens in den Garten nach grünem Gemüse. Dort kam zu ihr eine große Kröte; da jagte die Köchin sie von dannen. Aber die Kröte wollte durchaus nicht fortgehen, bis die Köchin ihr nicht gesagt hatte: »Wenn du ein Kind bekommst, werde ich Gevatter stehen.« Da ging die Kröte von dannen.
Im Garten war ein ausgetrockneter Brunnen, und dort wohnte die Kröte; dort führte ein Steg hinunter.
Dann kam der Tag, wo bei der Kröte Taufe gehalten wurde, und sie schickten auch nach der Köchin, dass sie kommen solle, und jetzt bereute die Köchin, was sie der Kröte versprochen hatte. Aber ihre Frau redete ihr zu, dass, wenn sie es versprochen, sie auch gehen müsse, und die Köchin nahm alles mit.
Wie sie zum trocknen Brunnen hinkam, war da ein Eingang, und da ging die Köchin hinunter. Dort öffnete sich eine Thür; dort war die Küche, und dort brodelte tüchtig das Essen. Die Köchin ging hin, hob den Deckel auf, und da sah sie denn, dass in den Töpfen graue, alte Männer kochten, und die riefen: »Ach, lass uns hinaus!«
Die Köchin tat den Deckel wieder auf den Topf; nun war sie aber sehr erschrocken; sie ging in die Stube und setzte alles nieder, was sie mitgebracht hatte.
Als die Taufe war, aß die Köchin nur von dem, was sie gebracht hatte.
Nach der Taufe kehrte sie die Küche der Kröte aus und fand auf der Schwelle ein Goldstück. Da nahm sie geschwind den Kehricht in ihre Schürze und ging hinauf. Als sie auf der obersten Treppe war, rief ihr die Kröte nach:
»Danke deinem Schöpfer, Hund, dass du hinaufgegangen bist!«
Als die Köchin heimkam, erzählte sie die Sache, und ihre Frau sagte: »Du siehst, dass es nicht gut ist, mit Kröten anzubändeln.«
Sklarek, Elisabet: Ungarische Volksmärchen. Einl. A. Schullerus. Leipzig: Dieterich 1901