Friday, August 22, 2014

Hoppetinken

idyllisches Sauerdelta 
Im Tal der Läger, in der Umgebung von Iserlohn, wohnte einst eine junge Spinnerin, die war schön von Angesicht, auch fleißig und geschickt bei ihrer Arbeit und gut zu allen Menschen - nur an einem kleinen Wicht, einem Erdmännchen, hat sie nicht recht getan. Das nämlich ward ihrer gewahr, half ihr bei der Arbeit und gewann sie von Herzen lieb. Obwohl er winzig klein war und nicht von Menschenart, gab sie ihm ihr Wort, dass sie seine Frau werden wolle. Als das Mädchen das ihren Freundinnen erzählte, lachten die und meinten, das komme ihr doch nicht von Herzen. Er sei nur zum Zeitvertreib ihr Bräutigam!
Das war kein gutes Wort. Und erst recht war es nicht wohl getan, dass sie das Männlein noch immer zu sich kommen und sich von ihm bei der Arbeit helfen ließ. Der Kleine verstand sich besonders gut auf das Spinnen und Weben. Unter seinen winzigen Händen entstand ein Fädchen, zart, als habe es ein Spinnlein hervorgebracht, zugleich aber auch fest und unzerreißbar wie ein Kettchen. So kam es, dass man der jungen Spinnerin von weither Aufträge brachte. Kein Wunder, dass ihr Gesponnenes das beste Tuch im ganzen Lande abgab, und dabei schaffte sie soviel des guten Garns wie keine andere, und den Leuten kam es schier unbegreiflich vor, dass zwei Hände soviel vermochten.
Wenn sie dann abends endlich müde geworden war und ihre wohl gelungene Arbeit ansah - die vielen fertigen Rollen des schimmernden Garns, dann schlüpfte das Erdmännlein der fleißigen Dirne auf den Schoß, legte seine Arme um ihren Hals und herzte sie. Sie ließ es sich gefallen und verschwieg ihm noch immer, wie es tief in ihrem Herzen beschaffen war. Wohl bettelte sie manchmal:
"Du hast mir niemals deinen Namen genannt. Wie heißt du eigentlich?"
Da kam eine große, stille Traurigkeit über das Männlein. Es gab aber niemals eine Antwort, wie sehr sie auch bat.
"Die Menschen haben alle einen Namen", sagte sie, "wie werde ich nun heißen, wenn ich deine Frau bin?"
Ging sie ihn so an, dann schlich das Männlein endlich stumm fort und verschwand im Dunkel der Nacht.
Als nun die Zeit kam, dass alle Freundinnen des Mädchens Hochzeit hielten, da kam auch über die Spinnerin ein tiefes Verlangen und sie wünschte sich glücklich zu sein mit einem Mann, der wie sie ein Mensch war. Sie konnte ihre Traurigkeit dem Erdmännchen nicht länger verbergen, und als es eines abends wieder zu ihr in die Stube trat, rief sie ihm, als es kaum die Türe geöffnet hatte, entgegen: "Nun will ich endlich wissen, wie du heißt!"
Als er, aufs tiefste erschrocken und schweigend dastand, schrie sie: "Sag, heißt du Hoppetinken?"
Da ward das Männlein rot vor Zorn.
Das hat dir der Teufel offenbart!" rief es.
Dann aber wurde es wieder still und traurig, wandte sich und ging, um niemals wiederzukehren.

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